Authenta Interview

Ich dachte mir, dass es interessant sein könnte für euch zwischendurch auch mal von jemand anderem als mir zu lesen. Deswegen habe ich ein Interview mit einer anderen Bloggerin gemacht. Tanja schreibt in ihrem Blog, Authenta Blog, über das Leben mit einem autistischen Kind.

In deinem Blog erzählst du über das Leben mit einem autistischen Sohn. Du hast auch die Vermutung, selbst das Asperger-Syndrom zu haben. Erzähl doch mal ein bisschen von euch?

Wir sind eine Familie mit 3 Kindern (12, 9 und 3 Jahre). Unser Großer (Asperger-Autist) geht ins Gymnasium, der Mittlere in die Grundschule und die Jüngste in die KiTa. Mein Mann arbeitet viel und ist mehrmals im Monat tagelang geschäftlich unterwegs. Ich bin mit den Kindern oft allein.

Unser Großer war schon immer besonders. Er war unser erstes Kind und sein Verhalten war für uns normal. Z.B. seine Echolalie oder dass er mein Handy sogar dann bedienen konnte, wenn chinesische Hieroglyphen als Sprache eingeschaltet waren. Wir dachten uns nichts dabei. Als unser zweiter Sohn zur Welt kam, sah man deutliche Unterschiede. Aber immer noch kein Grund zur Sorge. Sie waren halt verschieden.

Im Kindergarten starrte unser Sohn oft aus dem Fenster oder spielte stundenlang mit der Murmelbahn. Allein. Ab dem ersten Tag in der Schule gab es Schwierigkeiten. Es verging keine Woche ohne, dass ich mein Kind mitten aus dem Unterricht holen musste.

Die meisten Schwierigkeiten gibt es immer noch beim Thema „Schule“.

Ich selbst habe mich in den Büchern über Autismus wieder erkannt. Momentan „stecke“ ich in der Diagnose.

Was uns als Familie verbindet, ist der starke Hang zur Ironie. Wir lachen gerne und ziehen uns gegenseitig auf.

 

Du hast zwei Söhne, oder? Und dein zweiter Sohn ist nicht autistisch? Sind die beiden sehr unterschiedlich?

Wir haben zwei Söhne und eine kleine Tochter. Die beiden Jüngeren sind nicht autistisch. Soweit ich das jetzt beurteilen kann. Alle drei Kinder sind sehr unterschiedlich. Von den Interessen und auch vom Temperament her. Während die beiden Jüngeren alles was sie tun, mitteilen, besprechen und sonst wie verbal äußern müssen, ist es bei dem Großen meine Aufgabe, die Informationen rechtzeitig heraus zu bekommen. Er meldet sich nicht, wenn ihm alles zu viel wird oder ihn etwas bedrückt. Ich bin der hauseigene Detektiv (scherzhaft).

 

Wie kann man sich den Alltag bei euch in der Familie vorstellen? Verläuft etwas anders als bei nicht autistischen Familien?

Im Alltag sind alle meine Fähigkeiten gefragt, wenn es darum geht, alle Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen (Redewendung). Da ich im Multitasking nicht so gut bin und mich meine sensorische Überempfindlichkeit behindert, komme ich manchmal an meine Grenzen. In diesen Momenten suche ich Hilfe bei meinen nahen Angehörigen. Das Hilfe-Suchen gelingt mir nicht immer so, wie ich es gerne hätte. Sprich: rechtzeitig. Manchmal habe ich auch gar keine Möglichkeit, Hilfe zu holen. Das sind schwere Tage.

Der Alltag bei uns sieht konkret so aus, dass ich vormittags die Hausarbeit erledige (putzen, kochen, Wäsche waschen, Einkauf usw.) und an meinem Blog arbeite. Am Nachmittag: Hausaufgaben der Kinder und Mama-Taxi. Also Ergotherapie, Sozialkompetenztraining, Förderunterricht (Großer); Fußball (Mittlerer). Die Jüngste hat zum Glück noch keine Termine, fährt aber überall mit.

Am Wochenende versuche ich immer einen Tagesplan zu machen. Sonst entstehen unnötige Spannungen. Ich und unser Großer verkraften die Übergänge nicht so gut.

Unser Alltag ist strukturiert. Wobei unser Ältester viel Anleitung, Motivation und Zeitplanung braucht.

Das Thema „Computer“ ist ein Dauerbrenner. Es gab Zeiten, da wollte jedes Kind die absolut gleiche Behandlung. Was weder möglich, noch realistisch war. Als unser mittlerer Sohn sich über die längere „Zock-Zeit“ des großen Bruders beschwerte, schlug ich vor, alle absolut gleich zu behandeln. Da waren die Kinder begeistert. Als sie aber mit Schnuller und Windel um 18:00 Uhr ins Bett gehen sollten, war die Begeisterung weg. Denn ihre Babyschwester war ja bereits im Bett. Mit Schuller und Windel. Das war der Wendepunkt, an dem die Großen verstanden haben, dass die gleiche Behandlung nichts mit gerechter Behandlung zu tun hat.

 

Du schreibst in deinem Blog, dass es schwierig war herauszufinden, welche Hilfe man nach der Diagnose bekommen kann. Welche Hilfe habt ihr mittlerweile?

Als wir die Diagnose Asperger-Autismus bekommen haben, dachte ich naiv: „Jetzt wird alles leichter!“ Ich dachte, ich brauche nur mit dem Schriftstück in die Schule herein zu spazieren und die Probleme werden aufhören. Aber ich muss immer noch kämpfen, aufklären, eingreifen, abholen. Manche Menschen haben falsche oder gar keine Vorstellung vom Autismus.

Und da unser Sohn sehr charmant, klug, witzig und wissbegierig ist, glaubt mir nicht jede/r Lehrer/in, dass seine autistischen Züge für ihn so schwerwiegend sind.

Meist heißt es: „Wenn er A kann, muss auch B gehen!“

Bei unserem Kind heißt es aber eher: „A kann ich. B,C,D,E gehen gar nicht. F? Ja, F geht gut.“ (Metapher)

Leider sind die erfahrensten (älteren) Lehrkräfte auch diejenigen, die am unflexibelsten in ihrem mentalen Denken sind.

Unsere Hilfen sind jetzt folgende: Betreuung durch Autismuszentrum, Sozialkompetenztraining, Autismusbeauftragte im Gymnasium, unser Eltern-Stammtisch und der Blog. Ansonsten muss man sich als Mutter durchkämpfen (Redewendung).

 

Hast du Tipps für andere Eltern mit autistischen Kindern?

Lesen, lesen, lesen. Über Autismus und über Asperger-Syndrom. Wenn der Zeitpunkt kommt, an dem man nicht weiter weiß, fragt Autisten. Seid vorsichtig mit den Fachmännern und Fachfrauen. Natürlich sind sie Spezialisten. Aber ihr, Eltern eines autistischen Kindes, sind noch größere Experten. Euer Gefühl soll immer Vorrang haben. Wenn noch kein Gefühl da ist, abwarten. Schließt euch Elterngruppen an. Das tut so gut, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen.

In unserer Stammtisch-Gruppe höre ich oft: „Ah, ja, kenn` ich. Mein Sohn macht das auch. Probiere doch mal…“

Diese Gespräche sind wichtig und lebensnah. Danach bekomme ich das Gefühl, dass es weiter geht. Dass noch was möglich ist.

 

Wie kam es eigentlich dazu, dass du angefangen hast, einen Blog zu schreiben?

Ich habe schon immer geschrieben. Ich kann`s einfach nicht lassen (scherzhaft).

Im Ernst: Wie es so oft ist, habe ich im Internet nach Informationen gesucht. Ich war wie besessen davon, jemanden zu finden, der mir sagt: „So geht es mir auch.“

Es ist ein unglaublich starkes, unangenehmes Gefühl, wenn man denkt, man ist alleine mit seinen Sorgen. Denn die meisten Kinder in unserem Umfeld haben diese Schwierigkeiten nicht. Sie sind selbständiger, sind an diese Welt besser angepasst. Sie macht ihnen nicht so große Angst, wie`s bei unserem Sohn der Fall ist.

Mein Mann unterstützt mich nach allen ihm verfügbaren Kräften. Aber er wird den Autismus wahrscheinlich nie so richtig verstehen können, wie ich es tue. Ich und mein Großer gehen manchmal wortlos aus einem Raum heraus. Und jeder von uns beiden versteht, warum das für den anderen gerade unerträglich ist. Zu laut, zu voll, zu geruchsintensiv, zu hell.

Ich bin jetzt froh, so viele Menschen mit Autismus zu kennen. Es ist ein gutes Gefühl. Auch wenn ich mit den meisten Menschen nur im E-Mail-Kontakt stehe.

Und es tut auch gut, wenn ich weiß, dass ich einem anderen Menschen, vielleicht nur durch das Zuhören oder Infos-Aufschreiben, helfen konnte. Einfach durch das Gefühl: „Du bist nicht allein! Mit Deinen Sorgen nicht! Mit Deinen Problemen nicht! Und überhaupt.“

Hier ist der Link zu Tanjas Blog, Authenta Blog: http://www.authenta-blog.de/

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