Gespräche kosten Energie

In letzter Zeit

Vielleicht habt ihr gemerkt, dass ich in den letzten zwei Monaten nicht besonders viel auf meinem Blog geschrieben habe. Das liegt daran, dass ich in den Ferien wirklich viel zu tun hatte. Ich war drei Wochen bei meiner Mutter im Urlaub, habe viel Zeit mit meinem Freund verbracht, als ich wieder daheim war, und dann kam mein Vater noch eine Woche zu Besuch. Es ist eigentlich erst diese Woche soweit, dass ich tatsächlich sehr viel Zeit zum Entspannen habe. Ich habe meinen Urlaub wirklich sehr genossen und ich liebe es mit meiner Familie und meinem Freund zusammen zu sein. Aber es kostet mich halt auch viel Energie, wenn ich so viel unternehme.

Keine Lust zum Reden

In den letzten Tagen ist mir aufgefallen, dass ich wirklich nicht viel Lust habe mich mit anderen zu unterhalten. Mein Freund ist da eine Ausnahme. An ihn bin ich in meinem Alltag gewöhnt und mit ihm möchte ich immer über alles Mögliche reden. Aber mit anderen Leuten, denen ich nicht so nahe stehe, will ich irgendwie zur Zeit nicht reden. Vermutlich ist es eher so, dass ich keine Energie für Gespräche habe, anstatt dass ich nicht reden will, aber es fühlt sich einfach so an, als hätte ich keine Lust. Vor ein paar Tagen war ich zum Beispiel mit Freunden zusammen, mit denen ich nicht unbedingt viel über persönliche Dinge rede, und da wollte ich einfach gar nichts sagen.

Unentspannt in sozialen Situationen

Mir ist aufgefallen, dass ich in vielen Situationen nicht wirklich entspannen kann, wenn ich mich mit anderen unterhalte. Es ist ok, wenn ich mit meiner Familie, meinen allerbesten Freunden oder meinem Freund rede. Aber wenn ich mich mit anderen unterhalte, fühlt es sich oft so an, als könnte ich nicht ich selbst sein. Wenn ich mit Anderen zusammensitze, ist mein Gehirn total leer. Ich weiß weder, was ich sagen soll noch was ich fragen könnte. Es fühlt sich einfach nicht natürlich an für mich ein Gespräch anzufangen oder aufrechtzuerhalten. Ich denke also ununterbrochen darüber nach, was ich sagen könnte.

Meine Maske

Wenn man mich in einer Gruppe von Menschen sieht, die ich ein bisschen kenne, merkt man normalerweise nicht unbedingt, dass ich mir mit Gesprächen schwertue. Ich rede immerhin mit den anderen. Aber es fühlt sich einfach nicht so an, als wäre ich in solchen Situationen ich selsbt. Es ist eher so, als ob ich eine Maske aufsetzen würde und so tun würde, als wäre ich jemand anderes. Ich zwinge mich dazu Dinge zu finden, über die ich reden könnte. Solche Ideen finde ich nicht automatisch. Mein Gehirn gerät immer etwas in Panik und schreit: „Nici, find endlich etwas, was du sagen kannst! Was könnte ein interessantes Thema sein? Worüber würden andere reden? Was wäre passend jetzt zu sagen? Gibt es etwas, wozu ich Fragen stellen könnte?“.

Der Grund für meine Maske

Vielleicht fragt ihr euch, wieso ich mich überhaupt dazu zwinge eine Maske aufzusetzen? Ich stelle mir auf jeden Fall selbst die Frage. Ich glaube, der größte Grund dafür ist, dass es mir so vorkommt, als hätte die Gesellschaft bestimmte Erwartungen. Wenn man sich mit Bekannten trifft, muss man sich mit denen unterhalten. Man muss ein Teil des Gespräches sein. Man muss interessiert sein und das auch zeigen. Wenn man an der Uni mit Anderen isst, muss man mit denen auch reden. Mein größtes Problem ist vermutlich, dass ich Angst davor habe, was passieren würde, wenn ich mich nicht den sozialen Normen anpassen würde. Wenn ich mich in einem Gruppengespräch nicht dazu zwingen würde etwas zu sagen und eher ruhig wäre, gäbe es dann überhaupt jemanden, der mit mir reden wollen würde? Wie soll man dann Freunde finden? Ich habe Angst, dass Andere dann denken könnte, dass ich nicht an ihnen interessiert bin oder dass ich arrogant bin.

Erst ein Jahr nach der Diagnose

Es ist wirklich komisch für mich erst jetzt zu merken, wie sehr ich versuche neurotypisch (nicht autistisch) zu wirken. Ich versuche so sehr, wie alle anderen zu sein. Ich wusste schon lange, dass ich mir mit Small Talk schwertue, aber ich wusste nicht wirklich, dass mich ein Gespräch so viel Energie kostet. Es ist mehr als ein Jahr her, dass ich meine Asperger Diagnose bekommen habe. Ich dachte, ich wäre schon viel weiter darin mich selbst kennenzulernen und mich besser zu verstehen. Aber es wirkt so, als ob ich einen riesigen Teil erst jetzt verstanden hätte.

Was jetzt?
Die Frage ist jetzt nur, wie ich weitermache. Ich habe keine Lust mich den Rest meines Lebens zu verstellen und so zu tun, als wäre ich anders. Ich habe keine Lust immer eine Maske aufzusetzen und mich zu Gesprächen zu zwingen. Ich habe einfach keine Lust meine Energie dafür zu verbrauchen. Im Moment bin ich immer noch dabei meine Energie wieder aufzuladen. Deshalb könnte ich mir gut vorstellen, dass ich in den nächsten Tagen und Wochen eher ruhiger und zurückhaltender bin. Ich will einfach gerne entspannen und Alles umgehen, was mich Energie kostet. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass ich zum Beispiel beim neuen Semesterbeginn zu sehr Angst habe ich selbst zu sein. Ich habe Angst, dass mich niemand mag, wenn ich keine Maske aufsetze, und dass niemand mit mir reden will. Ich muss vermutlich einen Mittelweg finden. Ich bin auf jeden Fall froh, dass mir endlich klargeworden ist, wie viel Energie es mich kostet Gespräche anzufangen und am Laufen zu halten.

Wo passe ich dazu?
Ich habe angefangen viel darüber nachzudenken, wo ich dazu passe. Es kommt mir so vor, als würden Neurotypische (NTs) mich nicht mögen, wenn ich ich selbst wäre. NTs erwarten einfach oft, dass man Fragen stellt, aktiv an einem Gespräch teilnimmt und Unterhaltungen anfängt. Also könnte man denken, dass ich leichter mit Autisten befreundet sein könnte. Aber wenn wir uns fast Alle schwer tun ein Gespräch anzufangen oder Andere zu inkludieren, wie soll das dann funktionieren? Die meisten meiner autistischen Freunde reden zwar untereinander, aber wenn man nicht selbst irgendeine Idee hat, was man sagen könnte, fühlt man sich auch schnell wie ein Außenseiter. Ich bin im Moment also ein bisschen durcheinander und fühle mich alleine. In ein paar Tagen wird das bestimmt wieder besser. Aber ich wollte das Ganze trotzdem jetzt schon teilen, obwohl alles kompliziert wirkt, weil ich mir gut vorstellen könnte, dass ich nicht die Einzige bin, der es so geht.

3 Kommentare zu „Gespräche kosten Energie“

  1. Ein sehr schöner Text. Kann mich darin 1 zu 1 wieder erkennen. Ich glaube wir sind uns sehr ähnlich. 😉 Habe die Asperger Diagnose seit ich 21 bin-jetzt bin ich 22 also noch nicht lange. Ich lerne immer wieder neu dazu und finde raus was es eigentlich bedeutet das Asperger Syndrom zu haben. Finde deinen Blog echt toll. Mach weiter so! 🙂

    Lg Frederike

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