Autismus und Shutdowns

Mehr über Autismus und Shutdowns

Vor ein paar Wochen habe ich den Beitrag „Autismus und Shutdowns“ geschrieben. Darin habe ich vor allem erklärt, was ein Shutdown überhaupt ist. In diesem Beitrag will ich ein bisschen mehr über meine Erfahrungen mit Shutdowns schreiben. Ich will mit euch teilen, wie sich meine Shutdowns anfühlen und was zu ihnen führt. Vor allem will ich auch ein paar Dinge vorschlagen, die bei Shutdowns helfen könnten.

Wie fühlt sich ein Shutdown an?
Ich glaube, für Neurotypische (Menschen ohne Autismus) und Autisten, die noch nie einen Shutdown erlebt haben, war es nach meinem letzten Blogbeitrag immer noch schwierig zu verstehen, wie sich ein Shutdown wirklich anfühlt. Deswegen versuche ich es noch ein bisschen genauer zu erklären. Ich glaube allerdings, dass sich Shutdowns für alle Autisten etwas unterschiedlich anfühlen. Das heißt, die Erfahrungen von anderen müssen nicht unbedingt mit meinen übereinstimmen.

Wenn ich einen Shutdown habe, bin ich plötzlich total erschöpft. Es fühlt sich so an, als ob all meine Energie auf einmal meinen Körper verlassen hätte. Am besten ist es, wenn ich in solchen Momenten im Bett liegen kann. Ich glaube, ich fühle mich bei Shutdowns auch immer überfordert. Es ist so, als ob mich sprechen und bewegen so viel Energie kosten würden, dass ich doch lieber aufgebe.

Die letzten Male, als ich einen Shutdown hatte, hat es sich auch so angefühlt, als ob mein Körper in tausend Stücke zerfallen würde. Ich hatte das Gefühl, als ob ich aufpassen müsste, dass ich nicht kaputt gehe. Ich hatte in den letzten Jahren viele Psychologen, Therapeuten und Kontaktpersonen, die mich immer gefragt haben, wie ich bestimmte Gefühle in meinem Körper wahrnehme. Ich fand die Frage immer schwachsinnig. Gefühle sind einfach da, aber man kann sie doch nicht im Körper spüren. Das dachte ich zumindest. Aber bei Shutdowns merke ich meine Gefühle tatsächlich im Körper.

Wie lange dauert ein Shutdown?

In meinem letzten Beitrag über Autismus und Shutdowns habe ich schon erwähnt, dass es bei mir meistens eine Stunde dauert, bis ich nach einem Shutdown wieder normal reden und mich bewegen kann. Ich habe manchmal auch ein paar nicht so schlimmen Shutdowns, bei denen ich die ganze Zeit noch kleine Sätze sagen kann. Ich kann nur nicht über kompliziertere Themen reden. Diese Shutdowns halten nicht ganz so lang an. In der Regel ist es aber so, dass ich ca. 20-30 Minuten so gut wie nichts rede und mich so wenig wie möglich bewege. Das ist vermutlich die akute Phase. Und danach kommt noch die Erholungsphase, in der ich langsam wieder ich selbst werde.

Shutdowns habe ich in dem Beitrag „Autismus und Shutdowns“ ja schon mit einem PC Absturz verglichen. Die Erholungsphase, die ich am Ende oder nach eines Shutdowns erlebe, vergleiche ich außerdem oft mit meinem alten Computer. Wenn ich ihn angeschaltet habe, hat er nie sofort funktioniert. Ich musste immer erst fünf Minuten warten, bis er alles vorbereitet hat und bereit war. So geht es mir auch. Ich bin nur nicht so schnell. Anstatt fünf Minuten brauche ich eher eine halbe Stunde. 😉

Was führt zu einem Shutdown?

Was man, glaube ich, für die meisten Autisten verallgemeinern kann, ist, dass Stress und Überforderung zu Shutdowns führen können. Es ist aber nicht so, dass alle Autisten Shutdowns haben und Stress muss auch nicht unbedingt zu Shutdowns führen. Die genauen Gründe für Shutdowns sind sicherlich auch individuell.

Bei mir war es in den letzten Wochen oder Monaten so, dass ich sehr im Stress war. In meinem Studium hatten wir das erste Gruppenprojekt. Wir hatten keinen Unterricht mehr, sondern mussten uns unsere Stunden selbst einteilen. Das ist an sich kein Problem, aber es war eine Veränderung. Und Veränderungen mag mein Autismus nicht. Außerdem habe ich auch meinen Arzt gewechselt und eine neue Kontaktperson bekommen. Das sind Kleinigkeiten, aber die haben sich einfach angesammelt. In meinem Privatleben gab es außerdem auch ein paar Veränderungen. Wenn so viele Dinge zusammenkommen, glaube ich, dass es einfach nicht so viel braucht um mich aus der Bahn zu werfen. Und das kann dann zu einem Shutdown führen.

Was hilft bei einem Shutdowns?

Das wichtigste für mich ist bei einem Shutdown, dass ich mich hinlegen kann. Mein größter Wunsch ist immer mich in meinem Bett zu verstecken. Ruhe ist auch sehr wichtig. Ich habe eine Nachbarin, die oft laute Musik spielt und dann hilft es mir sehr, wenn ich meine Kopfhörer aufsetze. Ich habe Noise Cancelling Kopfhörer, das heißt, die blockieren die meisten Hintergrundgeräusche. Weil ich mich bei Shutdowns oft so fühle, als ob mein Körper auseinanderfallen würde, ist es auch wirklich gut für mich unter meiner Gewichtsdecke liege. Über diese Decke und meine Kopfhörer schreibe ich übrigens bald noch einen ausführlicheren Blogbeitrag.

Wenn mein Freund bei mir ist, mag ich es auch, wenn er mit mir im Bett liegt und mich in den Arm nimmt. Aber das ist bei allen Autisten sehr unterschiedlich. Manche wollen zum Beispiel auf gar keinen Fall berührt werden. Wenn ich einen Shutdown habe, fragen mich die Leute, die mit mir zusammen sind, auch oft einfache ja/nein Fragen, zum Beispiel ob ich mein Handy oder Tablet brauche, um etwas aufzuschreiben, oder ob ich etwas zu trinken will. Das finde ich persönlich total ok. Immerhin kann ich einfach mit Kopfbewegungen antworten ohne reden zu müssen.

Bei all den Sachen, die ich gerade erwähnt habe, ist es aber sicherlich so, dass nicht alle Autisten sie als hilfreich empfinden. Ich hoffe, dass ich einfach ein bisschen Inspiration geben konnte.
Es ist sicherlich auch eine gute Idee sich zu überlegen, ob man einen Shutdown vorbeugen kann. Falls man erkennen kann, was bei einem selbst zu einem Shutdown führt, kann man vielleicht versuchen solche Situationen zu umgehen.

Was ist an einem Shutdown gut?

Ihr werdet euch vermutlich wundern, wie ich einen Shutdown als etwas Positives sehen kann. Ein Shutdown fühlt sich wirklich nicht schön an, aber ich glaube, dass Shutdowns einem sehr helfen können. So ist das zumindest bei mir. Ein Shutdown ist wie ein Neustart bei mir. Vorher haben sich viele Sachen angesammelt, ich wurde gestresst und hatte keine Energie mehr. Dann kommt der Neustart und danach kann ich wieder von vorne anfangen und mit meinem Leben weitermachen. Das finde ich ziemlich cool.

Was noch wichtiger ist, ist, finde ich, dass ein Shutdown mir erzählt, dass ich auf mich aufpassen muss. Wenn ich einen Shutdown bekomme, weiß ich, dass ich in letzter Zeit zu sehr gestresst bin. Dadurch weiß ich, dass ich etwas ändern sollte.

4 Kommentare zu „Mehr über Autismus und Shutdowns“

    1. Hi 🙂
      Um ehrlich zu sein, bin ich mir nicht sicher. Bei mir kann es auf jeden Fall Tage dauern, bis ich meine komplette Energie wieder habe. Aber der akutte Teil, in dem ich wirklich nicht reden oder mich bewegen kann, dauert eigentlich höchstens 1-2 Stunden. Aber ich nehme an, es kann bei jedem anders sein.

    2. Hallo,
      auch wenn deine Schilderungen schon eine Weile her sind, so möchte ich mal „Danke“ sagen, weil ich schon finde das es sehr gut beschrieben ist.
      Ich bin Mama einer 12 Jährigen Asperger Autistin. Die Diagnose haben wir jetzt ca. 2 Jahre.
      Von klein auf hatte sie (von außen Betrachtet) sowas wie du als Shutdown beschreibst.

      Bei ihr geht es sehr schnell von einer Überforderung ins „abschalten“. Sie erkennt ziemlich genau, wenn auch oft zu spät, das sie in einer Situation ist , die sie nicht lösen kann. Glücklicherweise kommt sie dann zu uns als Eltern und sagt was ihr Problem ist. Und eigentlich weiß sie da schon, das wir von jetzt auf Gleich es nicht lösen können. Nehmen sie aber immer ernst. Bsp: Schwimmunterricht sie weiß eigentlich wir Eltern können nicht ohne Unterstützung von Lehrer, Ärzten ihr einfach erlauben, nicht mitzumachen. Zumindest nicht dauerhaft. Und da sie wirklich sich erst im letzten Moment uns um Hilfe bittet (wobei ich glaube vorher „fühlt“ sie es selber nicht) versuchen wir es wie alle Eltern, ihr Mut zusprechen.
      Dabei rauscht sie dann recht schnell in den Shutdown ab. Dann hat sie Tränen in den Augen (sie weint sonst nie), sackt zu Boden und/ oder will sich verkriechen. Ist nicht in der Lage noch zu reden. Und wenn, nur „weiß ich nicht“.
      Berühren darf man sie dann oft nicht. Manchmal will sie aber gerade dann, ganz doll umarmt werden.
      Erst wenn wir ihr versichern, sie braucht nichts zu tun (sich egal wie, um das Problem zu kümmern) kann man richtig sehen, wie erleichtert sie ist. So erschöpft. Dann braucht sie auch erstmal Ruhe.

      Als Mutter nimmt mich es immer sehr mit, wenn ich miterlebe wie schlecht es ihr geht.
      Wenn es ihr besser geht nach einiger Zeit und ich ihr dann sage, das Problem ist mit Lehrer ect gelöst bzw erstmal gelöst sagt sie „danke, das du mich gerettet hast“.
      Gerettet. Zeigt mir immer ganz klar, wie verzweifelt sie gewesen sein muss…

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