Asperger – als ich diagnostiziert wurde

Normalerweise, wenn man mit etwas diagnostiziert wird, kriegt man eine Erklärung. Man redet mit dem Arzt nach der Diagnose drüber, welche Symptome man hat, wie man damit umgehen soll, was dabei helfen kann, was es für die Zukunft bedeutet und so weiter. Ich liebe Erklärungen, vor allem genaue Erklärungen. Ich hätte am liebsten eine exakte Gebrauchsanweisung für das ganze Leben.

Asperger Syndrom

Als ich mit dem Asperger-Syndrom diagnostiziert wurde, habe ich aber keinerlei Erklärungen bekommen. Man könnte natürlich sagen, dass ich keine Erklärung brauchen sollte, weil ich ja schon mein ganzes Leben lang Autistin bin. Aber ich finde, ich bin nicht besonders gut darin. Ich hatte eine Depression, eine Essstörung, Probleme mit Selbstverletzung, ich bin schlecht darin mit Gefühlen umzugehen…ich komme mir so vor, als wüsste ich einfach nicht wirklich, wie man als Erwachsener ein normales und gesundes Leben führt. Ich habe nie genug Rücksicht auf mich selbst genommen oder auf meine Gefühle gehört. Ich bräuchte also eine Erklärung dafür, wie man am besten auf sich achtet, vor allem wenn man Asperger hat. Aber so eine Erklärung habe ich nie bekommen. Ich weiß, dass man keine exakte Erklärung bekommen kann, aber ich finde ein bisschen Hilfe wäre nicht zu viel verlangt gewesen.

Als ich diagnostiziert wurde, wurde ich vom Krankenhaus, wo ich diagnostiziert wurde, zur Kommune geschickt. Dort hatte ich dann eine Kontaktperson, aber ich musste ein paar Mal Kontaktperson wechseln. Das heißt, das Ganze war ein bisschen unstrukturiert und ich habe nie eine gute Erklärung bekommen, wie ich am besten mit Asperger zurechtkomme.

Diagnose Autismus und Asperger

Diagnose Asperger

Ich dachte am Anfang eigentlich auch nicht, dass ich eine Erklärung brauche, wie man mit Autismus umgeht. Immerhin war die Diagnose eine Erklärung in sich selbst. Ich habe eine Erklärung dafür bekommen, wieso ich so denke und fühle, wie ich tue. Ich dachte, das wäre genug. Aber mir fehlt die Erklärung, wie ich mit diesen Gedanken und Gefühlen umgehen soll. Ich finde es schade, dass niemand von selbst darauf gekommen ist, mir dabei zu helfen, das herauszufinden. Aber ich glaube, dass ich mit meiner Kontaktperson gut daran arbeiten kann.

Ich glaube, es würde mir auch einfach helfen, wenn ich ein autistisches Vorbild hätte. Eine Frau, die auch Asperger hat, aber gut mit ihrem Leben zurechtkommt. Die Mädels, die ich aus der Autismus Gruppe in meiner Stadt kenne, sind alle krankgeschrieben oder können nur sehr wenige Stunden in ihrem Praktikum arbeiten. Und das will ich für mich nicht. Ich will studieren und ein einigermaßen normales Leben führen. Ich hätte einfach gerne ein autistisches Vorbild, das ihr Leben unter Kontrolle hat und ein schönes und zufriedenes Leben führt. Im Moment habe ich nämlich eher eine kleine Krise, in der es mir vorkommt, als wäre Autismus nur etwas Negatives und etwas, das mich an Dingen hindert.

Ich weiß, dass Asperger nicht mein Feind ist und dass ich lernen kann gut damit zu leben. Aber bis es sich auch so anfühlt, dauert es, glaube ich, noch ein bisschen.

7 Kommentare zu „Asperger – als ich diagnostiziert wurde“

  1. Toller Beitrag, vielen Dank. Der Wunsch nach einer Bedienungsanleitung für das Leben, ist mir leider gut bekannt. Ich komme aus einer Familie, in der es viele Aspies gibt, das hat es stellenweise einfacher gemacht aber dennoch sind wir alle zu verschieden, um da viel von mitzunehmen. Beruflich hat mir das aber sehr geholfen weil mir schon früh klar war, dass nur Selbstständigkeit funktioniert.

    1. Hallo Gloria 🙂
      Da bin ich schon sehr froh zu hören, dass ich nicht die einzige bin, die sich eine Bedienungsanleitung wünschen würde 🙂
      Liebe Grüße
      Nici

  2. Die Kommentarfunktion hat leider eine Zeichenbegrenzung. Mach Dir nicht so viel Sorgen wegen Deiner beruflichen Laufbahn. Es gibt Fern Unis, Home Office und Jobs mit geringen Präsenzzeiten (z. B. wiss. Stellen) oder selbstständige Berufe, die mit Asperger gut funktionieren (z. B. Gutachtertätigkeiten). Schau einfach, was Du magst und was für Dich passen könnte.

  3. Servus Nici,

    Ich habe mich bereits in einer E-Mail bei dir Vorgestellt (Lehrerin, mein Sohn hat auch Asperger)
    Mein Sohn ist 10 Jahre alt, und ich bekam die Diagnose vor ca einen Monat.
    Jetzt habe ich das Bedürfnis ihm mitzuteilen was mit ihm los ist. Meinst du, das das zu früh ist? Kann er das schon verstehen? Und wie könnte ich ihm das erklären?

    Liebe Grüße aus Wien

    1. Hallo Wolfgang,
      Das ist wirklich eine gute Frage. Irgendwann müssen Kinder ja von ihrer Diagnose erfahren. Ich glaube, wenn ihm selbst etwas auffällt und er erwähnt, dass er sich anders fühlt, könnte der richtige Zeitpunkt da sein. Ich denke noch ein bisschen über das Thema nach und schreibe dir später eine Mail.
      Liebe Grüße,
      Nici

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert