So sehen Depressionen wirklich aus

Ich weiß nicht, ob ich die Einzige bin, aber, bevor ich selbst eine Depression hatte, habe ich immer gedacht, dass, wenn man eine Depression bekommt, es einem schlecht geht, man zum Psychologen geht. Da dann eventuell Medizin bekommt und es einem dann wieder gut geht. Es kam mir immer so vor, als wären Depressionen wie eine Erkältung oder ein Beinbruch, einfach eine Art Krankheit, die man für eine Weile hat und danach ist alles wieder so, wie es davor war.

Das Erste, was für mich mittlerweile an diesem Bild nicht mehr passt, ist die Depression an sich. Man liest natürlich oft über Depressionen, aber man kann es sich nicht mal annähernd vorstellen, bis man sich mal hingesetzt hat und es sich wirklich richtig vorgestellt hat. Und selbst dann glaube ich nicht, dass man sich wirklich vorstellen kann, wie schlecht es einem mit einer Depression geht, wenn man es nicht selbst erlebt hat. Es geht einem schlecht, man ist ohne Grund ununterbrochen traurig oder fühlt sich leer und hat absolut keine Energie. Das alleine ist schon sehr extrem.

Aber ich glaube, das Schlimmste waren für mich die Nächte. Tagsüber habe ich oft geweint, aber es kam mir so vor als wäre es mir nachts noch schlechter gegangen. Ich bin oft mitten in der Nacht aufgewacht und hatte dieses schreckliche Gefühl in mir. Ich weiß gar nicht, wie ich es genau beschreiben soll. Bisher habe ich wenige Leute in meiner Familie verloren, aber ich glaube das Gefühl war genauso schlimm, wie als hätte ich meine ganze Familie verloren. Ich war einfach unglaublich traurig und niedergeschlagen. So ein Gefühl hatte ich wochenlang so gut wie jede Nacht.

Nach den Depressionen

Was mit meinem früheren Bild von Depressionen auch nicht zusammenpasst, ist die Zeit nach der Depression. Ich habe mal ein Video von Krebspatienten gesehen und die haben gemeint, dass es nach der Krankheit immer noch sehr schwierig ist, weil man immer Angst hat, dass der Krebs zurückkommt und man die Zeit der Behandlung nicht einfach wieder vergessen kann und so tun kann, als wäre nichts gewesen. So ähnlich kommt es mir auch bei einer Depression vor. Jedes Mal, wenn es einem mehrere Tage mal schlecht geht, denkt man sich immer: „Oh nein, kommt die Depression zurück?“ Und man vergisst ja auch nicht einfach so, wie schlecht es einem gegangen ist. Die Erinnerungen verfolgen einen noch viel länger.

Mittlerweile bin ich aus der Depression raus und es geht mir gut, aber ich bin nicht wirklich mit dem Weg dorthin zufrieden. Ich finde, ich habe nicht wirklich die richtige Behandlung bekommen. Am Anfang wurde mir nur Gesprächstherapie angeboten. Das ist, finde ich, auch erst mal gut so, aber es hat einfach viel zu lang gedauert, bis die Therapeutin gemerkt hat, dass ich doch erst mal Medizin gebraucht habe um für die Therapie bereit zu sein.

Verdacht auf Persönlichkeitsstörung

Depressionen
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Als ich dann Medizin bekommen habe, wurde die Therapie allerdings abgebrochen, weil der Verdacht aufkam, dass ich eine Persönlichkeitsstörung haben könnte. Dafür wurde ich dann getestet und es kam dabei raus, dass ich keine Persönlichkeitsstörung habe. Und dann wussten sie nicht wirklich, zu welchem Team sie mich überweisen sollten. Ich hatte auch eine Essstörung, also wurde ich zum Essstörungsteam überwiesen. Aber da wurde ich dann natürlich für die Essstörung behandelt und nicht für die Depression.

Ich war dann erst nach Monaten für kurze Zeit in Depressionsbehandlung. Wenige Wochen danach hatte ich dann aber den Asperger Verdacht und dann war’s das sowieso mit den Therapieangeboten dort. Ich habe also eigentlich nie wirklich eine Gesprächstherapie angeboten bekommen sondern nur Medizin und das finde ich nicht ganz so optimal.

Es war auch schwierig, dass wir früher nicht die ganzen Gründe kannten, wieso ich die Depression überhaupt bekommen habe. Ich habe mich vollkommen überfordert. Innerhalb von wenigen Wochen hat sich mein ganzes Leben verändert. Ich bin umgezogen, war im Urlaub in Deutschland, habe einen neuen Job angefangen, wurde gefeuert und stand ohne Zuhause da.

Jetzt, wo ich weiß, dass ich Asperger habe und mir mehr darüber bewusst geworden bin, dass ich nicht gut mit Veränderungen umgehen kann, weiß ich, dass das alles einfach zu viel war. Selbst als ich auf dem Weg der Besserung mit der Depression war, wusste ich immer noch nichts über Asperger. Dadurch war es natürlich schwer zu verhindern, dass ich mich nicht wieder überfordere. Deswegen ging es lang auf und ab mit der Depression.

Was mich auch ziemlich genervt hat, war, dass die Depression am Ende hin mit Asperger verwechselt wurde. Wie ich in „Meine Energie Batterie“ schon geschrieben habe, habe ich oft nicht wirklich viel Energie. Als ich meiner Psychologin allerdings erzählt habe, dass ich wenig Energie habe, dachte sie, dass das immer noch mit der Depression zusammenhing. Ich bin mir mittlerweile aber sehr sicher, dass das einfach nur am Asperger-Syndrom lag.

4 Kommentare zu „So sehen Depressionen wirklich aus“

  1. Hallo Nici,
    ich bin depressiv seitdem ich 14/15 Jahre alt bin, also schon ungefähr mein halbes Leben 🙁
    Bei mir wurden auch viele Verdachtsdiagnosen gestellt und verworfen und auch vieles falsch eingeschätzt (Thema Batterie)… ich hoffe, dass ich mit ASS endlich auf der richtigen Spur bin… ich glaube, es hilft ungemein, wenn man weiß woran es liegt!

    LG Melanie

    1. Hallo Melanie,
      Das tut mir leid zu hören, dass es dir schon so lange schlecht geht. Du hast vollkommen Recht, dass es wirklich hilft zu wissen, woran es liegt. Ansonsten fühlt man sich einfach verkehrt.
      Ich wünsche dir alles Gute für die Zukunft. Liebe Grüße,
      Nici

  2. Hallo Melanie und Nici,

    ich bin ebenfalls seit meiner Jugend depressiv. Das habe ich aber erst jetzt erfahren, ein Jahr nach meiner Autismus Diagnose – ich bin ein halbes Jahrhundert alt. Die Depression ist wohl eine Komorbidität und eine Folge meiner jahrzehntelangen Überlastung. Inzwischen glaube ich zu wissen, wie das alles zusammenhängt. Mir hilft dieses Wissen. Alles Gute euch beiden.

    Silke

    1. Hallo Silke,
      das tut mir leid zu hören, dass es dir schon so lange schlecht geht. Ich wünsche dir alles Gute für die Zukunft! Hoffe, die Diagnose hilft dir weiterhin.
      Liebe Grüße,
      Nici

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