Verdacht Autismus – soll ich mich testen lassen?

Vor allem nachdem der YouTube Kanal Trudoku ein Video https://www.youtube.com/watch?v=x2qkQ5ccEbc&t=4s über mich gedreht hat, habe ich viele Nachrichten zum Thema Autismus und dem Asperger Syndrom bekommen. Es sind oft Frauen oder Mädchen, die mir schreiben und in einer ganz ähnlichen Situation sind wie ich vor ein paar Jahren. Sie erkennen sich entweder in Videos oder Texten zum Thema Autismus wieder und überlegen, ob sie sich testen lassen sollen. Was macht man in so einer Situation?

Die Herausforderungen im Alltag
Ungefähr seit der Zeit, als ich Teenager war, habe ich immer mehr bemerkt, dass ich Probleme im Alltag hatte. Das waren Herausforderungen im sozialen Bereich. Ich wusste nicht, wie man neue Freundschaften aufbaut, wie man sich überhaupt verhält, wenn man mit vielen Menschen zusammen ist, wie man Small Talk führt, ein Gespräch anfängt und es am Laufenden hält.

Es gab aber auch andere Probleme. Ich habe immer mehr gemerkt, dass ich schneller Energie verloren habe als andere und dass ich viel Struktur und Pläne gebraucht habe. Ich könnte die Liste noch ewig weiterführen, aber darum geht es hier eigentlich gar nicht. Es geht mir darum, dass es ganz vielen Menschen genau so geht wie mir. Sie merken entweder plötzlich oder auch schon seit längerer Zeit, dass sie ganz viele Herausforderungen haben, die andere in ihrem Umfeld eventuell nicht haben. Manche haben teilweise auch schon verschiedene Diagnosen.

Diagnosen vor dem Autismus
Bei mir war es so, dass ich vor meiner Asperger Diagnose schon die Diagnosen Depression und Essstörung hatte. Außerdem hatte ich Probleme mit Selbstverletzung. Und damit bin ich wirklich nicht alleine. Ich habe in den letzten Jahren mit so vielen (vor allem jungen) Leuten geschrieben, die auch schon verschiedene Diagnosen hatten und dann auf Autismus gestoßen sind und sich gefragt haben, ob das die Erklärung für all ihre Probleme sein könnte.

Vermutung – was nun?
Jetzt stellt sich immer noch die Frage, was man machen soll, wenn man den Verdacht hat, dass man Autist sein könnte. Einige Menschen können ohne Diagnose leben. Sie haben selbst den Verdacht, denken dass sie Autisten sind und das reicht ihnen. Das ist vollkommen in Ordnung und das respektiere ich total. Aber bei mir ist das anders. Ich brauche Gewissheit.

Das heißt, ich persönlich würde jedem raten sich testen zu lassen, wenn sie den Verdacht haben. Selbst wenn bei der Diagnostik herauskommt, dass man keine Autismus Diagnose hat, hat man nichts verloren. Ich glaube sogar, dass man sich durch eine Diagnostik sehr viel besser kennenlernt und das ist doch etwas recht Positives, oder nicht?

Die Meinungen anderer
Leider läuft es nicht immer allzu gut, wenn man anderen entweder von dem Verdacht oder sogar der Autismus Diagnose erzählt. Manche reagieren zum Beispiel so: „Du Autist? Das kann doch nicht sein. Du führst doch ein normales Leben. Du hast eine Ausbildung / ein Studium / eine Arbeit. Du hast Freunde. Du kannst kein Autist sein!“ Auf die ganzen Vorurteile, die in diesen Sätzen mitschwingen, will ich in diesem Beitrag gar nicht eingehen.

Aber es sind eben Vorurteile. Deswegen würde ich jedem raten: Wenn du dich selbst in einem Video oder einem Text wiedererkannt hast, zeig deiner Familie oder deinen Freunden diese Dinge. Erklär ihnen, was Autismus überhaupt bedeutet und dass es ein Spektrum ist. Lass dich durch die Meinungen anderer nicht runterkriegen. Wenn du selbst denkst, dass die Autismus Kriterien zu dir passen, kann nur Fachpersonal herausfinden, ob das wirklich stimmt.

Ärzte
Ich habe lange überlegt, ob ich dieses Thema hier anschneiden sollte oder nicht, aber ich denke, es ist wichtig. Am besten werde ich meine Botschaft erst mal los und erkläre sie danach: Sei kritisch! Was ich damit sagen will, ist: Wenn ein Arzt dich abweist und dir sagt, dass du nicht autistisch bist und du dich ganz und gar nicht verstanden fühlst, überleg dir eine zweite Meinung zu holen. Vor allem Frauen und Mädchen gegenüber gibt es auch bei Ärzten noch Vorurteile.

Ich habe schon von Ärzten gehört, die gesagt haben: „Sie können Augenkontakt halten. Sie können nicht autistisch sein.“ Das ist schwachsinnig. Wenn dein Arzt so etwas oder etwas ähnliches sagt, sei bitte kritisch. Auch wenn die meisten von uns keine Ärzte sind, kennen wir uns doch selbst am besten. Und damit will ich nicht sagen, dass man Ärzten misstrauen soll. Ein gewisses Grundvertrauen muss man Ärzten gegenüber haben, um zusammenarbeiten zu können, aber mir ist nur wichtig, dass man seine eigenen Gefühle und Überzeugungen nicht ganz beiseitelegt.

2 Kommentare zu „Verdacht Autismus – soll ich mich testen lassen?“

  1. Ernstgemeinte Frage:
    Viele schreiben wie du bei solchen Themen dass sich vor allem Frauen oder Mädchen melden.
    Als Mann der von solchen Sachen betroffen ist und auch Bücher dazu liest wo ähnliche Formulierungen oft zu lesen sind, bin ich es mittlerweile gewohnt darüber hinweg zu lesen.
    Und denke mir, dass es vielleicht mit einer Art der eigenen Befreiung und Wunsch gesehen zu werden als Frau?
    Und ich versuche Verständnis und Liebe dafür zu haben.

    Doch es tut jedes Mal weh.
    Gefühlt zum ersten Mal etwas gefunden zu haben, wo ich Erklärungen und geteilte Erfahrungen zu mir finde, wo ich mich nicht mehr ganz alleine fühle.
    Doch durch solche Formulierungen den Eindruck erhalte, dass es Frauen und Mädchen irgendwie vorenthalten ist. Oder es jetzt mal um sie geht und sie gesehen werden sollen.
    Nicht Jungs und Männer. Die sollen irgendwie was anderes machen.
    Und ich frage mich, wenn das Geschlechter-Verhältnis so wichtig ist, erwähnt zu werden. Was fehlt dass zumindest mit anerkannt wird dass es vielleicht viel mehr Frauen/Mädchen sind und auch einige, vielleicht nur ein Männer/Jungs deren persönliches Erlebnis trotzdem genauso bedeutsam ist.

    Kannst du mir helfen besser zu verstehen, warum diese Formulierung so verwendet wird?

    Ganz liebe und viele Grüße

    1. Ich denke nicht, dass jemand Männer oder Jungen ausschließen möchte, wenn man davon berichtet, dass Frauen und Mädchen zum Beispiel oft übersehen werden bzw. wegen einer veralteten Sicht keine Diagnose bekommen oder diese erst spät erhalten.
      Ich habe selbst geschrieben, dass sich bei mir vor allem Frauen oder Mädchen melden, weil das tatsächlich so ist. Das bedeutet allerdings nicht, dass ich nicht auch Nachrichten von Männern und Jungen bekomme.
      Ich habe mit meiner Ausdrucksweise auf jeden Fall nicht die Absicht gehabt, jemanden auszuschließen.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert