Wie Corona mich und meine Diagnosen beeinflusst

Wie viele von euch wissen, wohne ich in Dänemark. Wir haben hier weder Ausgangsverbot noch Mundschutzpflicht wegen Corona. Manche Schulen und Geschäfte haben sogar wieder geöffnet, aber die Situation ist immer noch weit weg von einem normalen Alltag. In diesem Beitrag will ich ein bisschen darüber schreiben, wie Corona mich und meine Diagnosen (Asperger, Depression, Angststörung) beeinflusst.

Home-Office
Eines der wenigen Dinge, die gut daran sind, dass wir voneinander Abstand halten sollen, ist, dass ich von Zuhause arbeite. Am Anfang war es ziemlich schwierig für mich. Ich konnte nicht mehr einfach so Kollegen um Hilfe bitten und ich musste meinen Tag komplett neu strukturieren. Aber im Endeffekt tut es mir wirklich gut von Zuhause zu arbeiten. Wenn ich in der Arbeit bin, kann ich mich nie zu 100% auf die Arbeit fokussieren, weil ich mir auch ständig über Kommunikation und soziale Situationen mit meinen Kollegen Gedanken machen muss. Das nimmt mir viel Energie. Wenn ich dahingegen Zuhause bin, kann ich all meine Energie für meine Arbeitsaufgaben benutzen.

Meine Depression
Nachdem ich meine Depression bekommen habe, bin ich relativ schnell in medizinische Behandlung gekommen und das hat definitiv geholfen. Aber ich denke auch, dass es mir guttut, dass zurzeit nicht besonders viel passiert. Ich habe meine Arbeit und meinen Blog, aber ansonsten habe ich im Moment so gut wie keine Verpflichtungen. Ich kann viel entspannen und das tun, wozu ich Lust habe. Das hilft, glaube ich, sehr viel. Ich habe nämlich die Vermutung, dass meine Depression durch zu viel Stress und Überbelastung entstanden ist. Davon kann ich mich jetzt erholen.

Mehr Zeit
Was auch mit Home-Office zusammenhängt, ist, dass ich gerade sehr viel mehr Zeit habe. Ich kann länger schlafen und nach der Arbeit muss ich nur alle Programme schließen und schon habe ich frei. Außerdem habe ich mehr Zeit mit meinem Freund. Das genieße ich wirklich sehr. Normalerweise hat er sehr viel Reisezeit zwischen unserem Zuhause und seiner Arbeit, aber jetzt sind wir beide die ganze Zeit Zuhause. Man könnte denken, dass man sich nach einiger Zeit auf die Nerven geht, aber bei uns klappt alles wirklich gut. Wir sind einfach glücklich mehr Freizeit zusammen zu haben.

Treffen mit meinen Kontaktpersonen
Jetzt klingt es doch erst mal so, als ob ich mit der Lockdown Situation recht gut zurechtkommen würde, aber ganz so einfach ist es nicht. Womit ich mir zum Beispiel schwertue, ist, dass ich mich nicht normal mit meinen Kontaktpersonen treffen kann. Am Anfang haben wir nur telefoniert. Mittlerweile gehen wir auch hin und wieder spazieren. Das heißt, ich kriege schon Unterstützung. Aber es ist doch etwas anderes, als wenn man sich zusammensetzen kann und Probleme besprechen kann.

Abstand halten
Womit ich mir definitiv auch schwertue, ist, dass man ständig Abstand halten muss. Ich finde das so stressig. Ich weiß, dass besonders manche Autisten das Abstand-Halten genießen, weil einem Leute dadurch nicht zu nah kommen, aber ich finde es wirklich anstrengend. Ständig muss ich mir darüber Gedanken machen und im Supermarkt ist es zum Beispiel nicht immer möglich Abstand zu halten. Da kommt man sich direkt so vor, als würde man einen riesen Fehler begehen.

Alles ist anders
Und schon kommt der nächste Punkt, der mich stresst. Alles ist im Moment anders und ungewohnt. Wenn man zum Beispiel zur Apotheke oder zum Arzt muss, muss man zuerst einmal daran denken die Hände zu desinfizieren und Abstand zu halten. Überall sind Schilder, die man beachten muss. Ich finde das einfach überwältigend. Bei uns im Gebäude wurde zum Beispiel vor längerem ein Schild aufgehängt: „Stopp! Wir sind in Alarmbereitschaft…“ Ich bin erst mal total in Panik geraten. Diese ganzen Stopp Schilder stressen mich total. Da denkt man immer, man darf nicht weitergehen. Aber meistens geht es ja nur darum, dass jemand auf etwas aufmerksam machen will.

Online Meetings
Kommen wir zu dem Punkt, den ich am meisten hasse: Online Meetings! Weil wir ja von Zuhause arbeiten, habe ich ständig Online Treffen mit meiner Arbeit. Ok, ständig ist vielleicht übertrieben, aber wir haben mindestens einmal die Woche ein Treffen. Und das stresst mich so was von. Ich hasse es ja schon zu telefonieren, aber wenn ich dann noch mit mehreren Leuten auf einmal eventuell auch noch mit Video über Skype telefonieren soll, ist das die reinste Qual für mich.

Ungewissheit
Ungewissheit ist etwas, das ich von Anfang an recht schwierig fand. Mittlerweile bin ich recht gut darin geworden nicht zu viel darüber nachzudenken. Aber ich finde es wirklich schwierig, dass wir auf etwas warten, aber nicht genau wissen, auf was und wann es soweit ist. Wann dürfen wir zum Beispiel wieder reisen oder Freunde und Familie besuchen? Und wie geht es mit meinen Prüfungen weiter? Wenn die Unis weiterhin geschlossen sind, würde das bedeuten, dass ich zu einer Online Prüfung müsste. Da wären wir wieder: Online Meetings. Ich hasse es. Generell ist es ja so, dass die meisten Autisten Struktur und Vorhersehbarkeit brauchen. All das gibt es zurzeit so gar nicht, finde ich. Zumindest nicht auf die richtige Art und Weise.

Soziale Kontakte
Vielleicht überrascht es den ein oder anderen, aber ja, auch als Autistin fehlen mir die sozialen Kontakte. Ich würde so gerne meine Freunde wiedersehen. Theoretisch ist es ja nicht einmal verboten sich mit Freunden zu treffen, aber ich will niemanden aus Versehen infizieren und ich habe auch keine Lust selbst infiziert zu werden.

Meine Angststörung
Meiner Angststörung tut es recht gut, dass wir ständig Zuhause sein sollen oder nur Einkaufen und Spazieren gehen sollen. Das klingt recht gut, nicht wahr? Aber ganz so toll ist es nicht. Ich habe mich nämlich mittlerweile daran gewöhnt so gut wie alles mit meinem Freund zusammen zu machen. Und das ist wirklich schlecht, wenn ich daran denke, dass ich irgendwann auch wieder vieles alleine erledigen muss. Dann kommt die Angst nämlich wieder zurück. Bei uns gibt es zum Beispiel seit kurzem die Regel, dass man alleine einkaufen soll. Es ist kein Gesetz, aber die Supermärkte würden es sich wünschen. Ich bin also vor ein paar Tagen seit langem das erste Mal wieder alleine einkaufen gegangen. Und ich habe es gehasst. Ich weiß nicht genau, ob es nur die Angststörung war oder doch eher mein Asperger-Syndrom oder beides. Aber es war auf jeden Fall echt schwierig für mich, weil ich es anders gewöhnt war.

Wunsch nach Normalität
Wie ihr seht, bringt die Situation Vor- und Nachteile mit sich für mich, aber im Großen und Ganzen wünsche ich mir einfach nur meinen normalen Alltag zurück. In meinem Praktikum habe ich auch nicht allzu viele Wochen übrig, das heißt, es wäre nicht mal so schlimm, wieder im Büro arbeiten zu müssen. Die Vorteile von unserem gewohnten früheren Alltag überwiegen also definitiv.

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