30 Tage Autismus – Teil 3

Diesen April (April 2020) hatte ich ein Projekt auf Facebook und Instagram, wo ich jeden Tag etwas zu dem Thema Autismus geschrieben habe. Ihr findet mich auf Facebook unter dem Namen „Unbemerkt.eu – ein Leben mit Asperger“ https://www.facebook.com/unbemerkt.eu/ oder auf Instagram unter dem Namen @unbemerkt.eu https://www.instagram.com/unbemerkt.eu/ . Falls ihr kein Facebook oder Instagram habt, könnt ihr hier alles mitverfolgen.

Teil 1 von 30 Tage Autismus könnt ihr hier finden: https://www.unbemerkt.eu/de/30-tage-autismus-teil-1/ und Teil 2 hier: https://www.unbemerkt.eu/de/30-tage-autismus-teil-2/

21.April: Wie merke ich, wenn ich einen schlechten Tag habe?

Wenn ich einen wirklich schlechten Tag habe, endet das meistens mit einem Shutdown. Vermutlich haben nicht alle von euch schon davon gehört, was ein Shutdown überhaupt ist. Ich wusste es lange Zeit auch nicht und es gibt wirklich wenig Infos auf Deutsch dazu. Deswegen habe ich versucht auf meinem Blog extra viel darüber zu schreiben. Auf jeden Fall ist es bei mir bei einem Shutdown so, dass ich mich nicht mehr bewegen und/oder nicht mehr reden kann. Ich bin einfach viel zu kaputt, habe all meine Energie verbraucht und bin überbelastet. Man kann sich das ein bisschen wie bei einem Computer vorstellen, der zu viele Fenster offen hat und plötzlich zusammenbricht. Da geht dann auch nichts mehr. Wenn ich wirklich reden MUSS oder mich bewegen MUSS, dann geht das tatsächlich schon auch irgendwie bei einem Shutdown. Aber es fühlt sich komplett unmöglich an und es kostet mich wirklich viel Kraft.

Wenn ihr Lust habt meine Beiträge zu dem Thema Shutdowns zu lesen, ist hier der Link dazu: https://www.unbemerkt.eu/de/?s=shutdown

22.April: Was hilft mir an einem schlechten Tag?

Wenn ich einen wirklich schlechten Tag habe und vielleicht sogar mitten in einem Shutdown bin, hilft nur eins: ich muss mich hinlegen und entspannen. Am besten ist es, wenn ich unter meiner Gewichtsdecke liege. Mein Freund hat sich schon ziemlich an meine Shutdowns gewöhnt und weiß, wie er mit mir umgehen muss. Er gibt mir immer mein Handy, damit ich noch Nachrichten schreiben kann, wenn ich nicht genug Energie zum Reden habe. Und dann stellt er mir auch nur wichtige Ja/Nein Fragen, damit ich mit Kopfschütteln oder Nicken antworten kann. Ich bin wirklich froh, dass ich meinen Freund habe und er sich immer so gut um mich kümmert. Als ich noch nicht mit ihm zusammen war, habe ich mich immer sehr einsam gefühlt, wenn es mir schlecht ging.

23.April: Wie entspanne ich?

Die Frage heute ist tatsächlich wirklich relevant für mich. Ich hatte vor ein paar Tagen ein Online Meeting mit meiner Arbeit und das hat mich so viel Energie gekostet, dass ich seitdem total am Ende bin. Ich muss also im Moment extra viel entspannen.

Ich habe schon oft gehört, dass viele Leute mit Dingen entspannen, die ihnen Spaß machen. Ganz so einfach ist das bei mir leider nicht. Ich habe viele Dinge, die mir Spaß machen. Ich bin zum Beispiel gerne kreativ, gehe spazieren und treffe mich mit Freunden. Aber nur bei wenigen Dingen entspanne ich wirklich und bei noch weniger Dingen kriege ich Energie. Ich glaube, ich entspanne recht gut, wenn ich kreativ bin und zum Beispiel etwas bastle. Aber Energie bekomme ich dadurch nicht. Die einzigen Dinge, die mir wirklich Energie geben, sind im Bett liegen und nichts tun oder im Bett liegen und einen Film oder eine Serie anschauen.

24.April:Wie hat mir mein Autismus in meinem Leben geholfen?

Es ist natürlich schwierig zu wissen, welche meiner Eigenschaften ich durch meinen Autismus habe. Man kann sich den Autismus ja nicht einfach wegdenken und sich vorstellen, wie man ohne Autismus wäre. Aber ich habe ein paar Vermutungen, wie mich mein Autismus beeinflusst und wie er mir bisher in meinem Leben geholfen hat.

Ich habe ja schon erwähnt, dass ich am meisten an meinem Autismus liebe, dass ich so strukturiert bin. Und das hat mir in der Vergangenheit schon oft geholfen. Ich war als Teenager zum Beispiel Trainerin für zwei Turngruppen. Dafür braucht man doch ziemlich viel Verantwortungsbewusstsein und Struktur. Außerdem war ich schon immer gut darin Urlaube zu planen. Mit 16 bin ich, glaube ich, das erste Mal mit einer Freundin alleine im Ausland gewesen. Und mit 19 habe ich einen Interrail Urlaub komplett durchgeplant. Ich wusste immer genau, wo wir hin mussten, welchen Zug und welches Ticket wir brauchten und wo unsere Hotels waren. Ich weiß, viele finden, dass Interrail etwas Spontanes sein sollte, aber für mich war es viel entspannter, dass wir genau wussten, wo wir hin wollten.

Ach, und noch etwas: Ich glaube, dass mir mein Autismus, meine Strukturen, mein Planen und meine Entschlossenheit auch wirklich dabei geholfen haben neue Sprachen zu lernen. Ich habe im Gymnasium schon Englisch, Latein, Spanisch und Italienisch gelernt. Aber am Spannendsten ist es wahrscheinlich, dass ich mir später Dänisch fast ganz selbst beigebracht habe. Ich glaube, dass Viele das nicht so schnell hinbekommen würden wie ich. Da bin ich doch auch ein bisschen stolz.

25.April: Wovon träume ich?

Im Moment ist mein größter Traum, dass ich es schaffe mein Studium zu beenden. Ich bin im letzten Semester. Mitte Juni bin ich mit meinem Praktikum fertig und dann muss ich noch ca. drei Monate an einem Abschlussprojekt arbeiten. Das heißt, ich bin wirklich nah dran, diesen Traum zu verwirklichen.

Was meinen Blog angeht, habe ich kein wirklich konkretes Ziel. Es geht mir nicht darum berühmt zu werden oder so. Mein Ziel ist es einfach so vielen Menschen wie möglich zu helfen. Ich hoffe, dass durch meinen Blog und meine Öffentlichkeitsarbeit vor allem andere Frauen und Mädchen ihre Diagnose früher bekommen können.
Ansonsten habe ich recht typische Träume. Ich will irgendwann mal heiraten, Kinder kriegen und in einem Haus mit Garten wohnen. Ein Job, der mir Spaß macht, ist auch wirklich wichtig für mich. Aber nachdem ich jetzt schon ein paar Monate im Praktikum bin, bin ich mir auch bewusst darüber, dass ich nicht „normal“ einen Vollzeitjob haben werde. Das wäre mir viel zu viel. Aber eine Arbeit, für die ich morgens gerne aufstehe…das wäre super. 

26.April: Worüber mache ich mir am meisten Sorgen?

Im Moment mache ich mir am meisten Sorgen über das Abschlussprojekt von meinem Studium. Wie ich gestern schon erwähnt habe, muss ich nach meinem Praktikum zwischen Juni und August eine Abschlussarbeit schreiben. Das ist eine recht wichtige Arbeit und ich habe ehrlich gesagt noch nicht zu 100% verstanden, was wir genau machen müssen. Da muss ich also echt aufpassen, dass ich mir nicht zu viele Sorgen mache. Gleichzeitig muss ich mich natürlich aber auch darauf vorbereiten.

Meine zweite Sorge ist wegen der Zeit nach meinem Studium. Und zwar bin ich mir ja sicher, dass ich nicht Vollzeit arbeiten kann. In Dänemark gibt es die Möglichkeit in einen Ressourcenverlauf zu kommen, der entscheidet, ob man einen Flexjob bekommen kann. Ein Flexjob würde bedeuten, dass ich Teilzeit arbeiten könnte, aber trotzdem einigermaßen normal Geld verdienen könnte, weil ich einen Zuschuss zu meinem Lohn bekommen würde. Das wäre eine super Möglichkeit. Aber ich bin ein bisschen nervös, ob das Ganze klappen wird. Ich habe leider von vielen gehört, die Probleme mit dem Jobcenter haben.

27.April: Welche Hilfsmittel helfen mir im Alltag?

Ich habe zum Glück jede Menge Hilfsmittel, die mir im Alltag helfen. Ich bin zum Beispiel sehr geräusch- und lichtempfindlich. Deswegen trage ich sehr oft eine Sonnenbrille, Noise-Cancelling Kopfhörer oder einen angepassten Gehörschutz. Außerdem habe ich eine Gewichtsdecke, die mir oft beim Entspannen hilft. Ganz ähnlich wie die Gewichtsdecke hilft mir auch Bent. Bent ist ein Faultier Stofftier, das ca. 4kg wiegt und mit seinem Gewicht eine ähnliche Wirkung wie eine Gewichtsdecke hat. Was mir meinen Alltag auch sehr viel einfacher macht, ist mein Behindertenausweis. Dadurch kann ich ganz oft einen Begleiter gratis oder billiger zu Veranstaltungen oder in öffentliche Verkehrsmittel mitnehmen.

28.April: Was ist mein Lieblingsbuch zum Thema Autismus?

Ich glaube, ich habe so um die 5-10 Bücher zum Thema Autismus gelesen. Manche auf Deutsch, andere auf Englisch oder Dänisch. Das Buch, das mir am besten gefallen hat, ist Aspergirls von Rudy Simone. Was mir an dem Buch besonders gefallen hat, ist, dass es in Kapitel eingeteilt ist, die man auch lesen kann, wenn man das vorige Kapitel nicht gelesen hat. Das heißt, man kann sich genau die Themen raussuchen, die einen am meisten interessieren. Ein paar der Kapitel sind zum Beispiel: sensorische Überbelastung, Pubertät und Mutismus, Ehe und Lebensgemeinschaft etc.

29.April: Wie gehen andere mit meinem Autismus um?

Die meisten Leute gehen eigentlich ganz entspannt mit meinem Autismus um und sind sehr verständnisvoll. Als ich zum Beispiel in meiner Uni davon erzählt habe, dass ich Asperger Autistin bin, waren manche natürlich ein bisschen neugierig. Das finde ich aber auch total super. Und alle anderen haben mich einfach direkt so akzeptiert, wie ich bin.

Es gibt ja oft ganz viele Diskussionen darüber, ob man Menschen unterschiedlich behandeln darf/soll/muss. Ich möchte keine Vorteile anderen gegenüber haben, aber wenn ich die gleichen Chancen wie andere haben soll, muss ich manchmal aufgrund meiner Diagnose anders behandelt werden. Mein Umfeld setzt das total super um. Ich werde nie übermäßig mit Unterstützung überschüttet, sondern ich kriege genau die richtige Hilfe, um zumindest fast so gut wie alle anderen an Dingen teilnehmen zu können.

30.April: Habt ihr irgendwelche Fragen?

Bevor ihr endlich die Möglichkeit bekommt mir Fragen zu stellen, wollte ich mich erst mal bei euch bedanken. Eure ganzen Kommentare, Nachrichten und Reaktionen auf die Beiträge in den letzten 29 Tagen bedeuten mir wirklich viel. Ich bin unglaublich froh so viele liebe Leute als Follower zu haben.
Ich muss zugeben, April war ein anstrengender Monat. Ich hatte einiges für die 30 Tage vorbereitet, aber es hat trotzdem viel Zeit eingenommen. Vor allem hatte ich in den letzten Tagen nicht so viel Energie wie sonst. Das hat alles ein bisschen schwieriger gemacht. Aber es hat sich auf jeden Fall gelohnt. Ich habe so viel von euch in diesem Monat gelernt. Ich hoffe, ihr konntet die Beiträge auch für etwas gebrauchen.

Jetzt seid ihr endlich dran: Habt ihr irgendwelche Fragen an mich, die ich bisher noch nicht beantwortet habe? Ich freue mich von euch zu hören.

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