Autisten können auch Liebe finden

Es gibt wirklich viele Vorurteile zum Thema Autismus. Einige davon haben mit Gefühlen und Liebe zu tun. Es gibt da zum Beispiel die Vorurteile, dass Autisten keine Gefühle haben, dass sie sich nicht verlieben können oder nie einen Partner finden. Das Schwierige bei Vorurteilen ist, dass Leute davon ausgehen, dass ALLE gleich sind. Und das passt wahrscheinlich bei keiner einzigen Gruppe von Menschen, denn wir sind alle einzigartig. Das Einfache an diesen Vorurteilen ist allerdings, dass man nur ein einziges Gegenbeispiel braucht, um zu beweisen, dass es ein Vorurteil ist. Immerhin sind dann nicht mehr ALLE so, wie es das Vorurteil angibt. Ich kenne mehrere Autisten, die Liebe gefunden haben.

Das Vorurteil stimmt also auf jeden Fall nicht. In diesem Blogbeitrag möchte ich euch einen besseren Einblick geben, wie es sein kann als Autist Liebe zu finden. Ich kann natürlich nicht für alle sprechen, aber ich kann mich selbst als Beispiel benützen. Wie viele von euch sicherlich wissen, habe ich einen Freund. Darüber habe ich schon ein paar Mal geschrieben. Aber jetzt gibt es noch riesige Neuigkeiten. Mein Freund und ich sind nämlich seit kurzem verlobt.

Herausforderungen beim Daten
Es gibt natürlich einen Grund, weshalb es schwierig sein kann für Autisten Liebe zu finden. Ich könnte mir vorstellen, dass es daran liegt, dass unsere Diagnose mit sich führt, dass wir Herausforderungen mit sozialer Interaktion und Kommunikation haben. Alles was mit dem Zusammensein mit anderen Menschen zu tun hat, kann für Autisten schwer sein. Ich tue mir zum Beispiel schwer damit Augenkontakt zu halten, Gesichtsausdrücke zu verstehen, ein Gespräch anzufangen und ein Gespräch am Laufen zu halten. Wenn es zu Dating kommt, gibt es natürlich noch viel mehr Herausforderungen. Für mich war das schwierigste, dass ich nie herausfinden konnte, wann mein Freund mit mir geflirtet hat.

Wie mein Freund und ich zusammengekommen sind
Vielleicht kennt ihr die Geschichte schon. Ich mache es also kurz. Als ich mein Studium angefangen habe, habe ich einen Mentor gebraucht. Ein Mentor ist meist jemand aus einem höheren Semester, der einen dabei unterstützen kann seine Aufgaben zu strukturieren. Nach ein paar Monaten mit meinem Mentor hat er mich gefragt, ob wir nicht mal zusammen einen Kaffee trinken gehen wollen. Ich habe mir nicht viel dabei gedacht. Ich dachte, er wollte mit mir befreundet sein. Ich fand ihn auch total nett, also habe ich ja gesagt. Allerdings wollte er mehr als nur befreundet sein. Für ihn war unsere Kaffee Verabredung eher ein Date. Das hat mir im Endeffekt aber gar nichts ausgemacht, weil ich ihn auch immer mehr und mehr mochte. Nach kurzer Zeit sind wir zusammengekommen und mein Mentor wurde mein Freund.

Herausforderungen in der Beziehung
Viele, die sich für Autismus und meine Lebensgeschichte interessieren, fragen mich oft, welche Herausforderungen mein Freund und ich in unserer Beziehung haben. Ich finde es schwierig die Frage zu beantworten, weil ich unsere Beziehung wirklich perfekt finde. Aber es gibt tatsächlich ein paar Kleinigkeiten, die vermutlich für uns etwas schwieriger sind, weil ich Autistin bin. Ich tue mir zum Beispiel manchmal schwer damit herauszufinden, wie es meinem Freund geht. Wenn er zum Beispiel nach einem langen Tag keine Energie mehr hat, denke ich manchmal, dass er sauer auf mich ist. Eine andere Herausforderung könnte sein, dass ich mir damit sehr schwertun kann, wenn mein Freund etwas anders macht als ich.

Das könnte zum Beispiel sein, dass er eine Schale in den „verkehrten“ Schrank stellt. Wenn ich dann im Vorhinein schon keine Energie habe und kaputt bin, kann ich ziemlich genervt davon sein. Aber er hat ja nicht wirklich etwas falsch gemacht, das heißt, ich finde, ich habe nicht das Recht sauer zu sein. In solchen Situationen muss ich mich dann einfach zurückziehen und warten, bis es mir wieder besser geht.

Unsere Stärken
Ich finde tatsächlich auch, dass mein Autismus positive Dinge mit in unsere Beziehung bringt. Eines der besten Dinge in unserer Beziehung ist, find ich, zum Beispiel, dass wir sehr offen und ehrlich sind. Und das liegt, glaube ich, daran, dass ich Autistin bin. Schon als wir gedatet haben, hat mein Freund ja gemerkt, dass er wirklich sehr direkt sein musste und über seine Gefühle reden musste, wenn er wollte, dass ich merke, dass er mit mir flirtet. Das heißt, er hat sich daran gewöhnt sehr offen zu sein. Und das bin ich natürlich auch.

Es gibt für alle jemanden
Ich bin ein guter Mensch. Ich bin herzlich, kümmere mich gerne um meinen Freund und unterstütze ihn. Aber ich könnte mir auch gut vorstellen, dass es anstrengend sein kann, mit mir zusammen zu sein. Ich schaffe es meistens nicht mal ein halbes Jahr gesund zu bleiben. Erst hatte ich eine Essstörung und Probleme mit Selbstverletzung. Jetzt ist es eher eine Angststörung und Depression. Das kann schwierig sein für eine Beziehung. Aber ich habe einfach den perfekten Freund. Er nimmt mich so, wie ich bin und er denkt nie, dass ich eine Belastung bin. Was ich damit sagen will, ist, dass ich daran glaube, dass es für alle jemanden gibt, egal welche Herausforderungen man im Leben hat. Ich weiß, dass das für manche naiv oder träumerisch klingt, aber das ist einfach, woran ich glaube.

12 Kommentare zu „Autisten können auch Liebe finden“

  1. Danke für diesen Beitrag!
    Ich habe auch das Asperger-Syndrom und seit ziemlich genau acht Jahren beziehungslos, nachdem mit 18 Jahren meine Beziehung kaputt gegangen ist und ich so langsam verzweifel.
    Gerade der Umstand, dass wir nicht einfach so direkt auf Menschen zugehen können oder gar mitkriegen, wann man angeflirtet wird macht es nicht einfacher.

  2. Also das typische= aber er hat die zahnpasta offen auf dem Waschbecken liegen gelassen..
    Jaaa haushaltsdinge regen mich auch auf, wenn sie irgendwie verkehrt gemacht werden.

    Und schon wieder ein Blog Eintrag in dme ich mich wiederfinden.

    Wenn mein Mann (verlobt aber jahrelang zusammen) nicht spricht weil das so seine Art ist denke ich auch sauer. Oder er ignoriert mich. Das ist das schlimmste

  3. Ein sehr gute Artikel.

    Da ich besonders gefühlskälte bin, fällt es mir sehr schwer neue Leute kennen zu Lerne und beziehungen aufzubauen. Eine ernsthafte liebesbeziehung wird sehr schwer werden.

    Mir wurde sogar mal vorgeworfen ich würde Drogen nehmen da ich auf einer Beerdigung keine Trauer zeigte und die Person es sich nicht anders erklären konnte, da sie nichts von meiner Diagnose weiß.

  4. Hallo, du gibst dir viel Mühe mit deinem Blog und es ist sehr übersichtlich. Ich habe mir ein paar Texte von dir durchgelesen, deine “Schwächen” scheinen nicht sehr ausgeprägt zu sein. Ich habe in meinem Leben 5 Menschen (Kollegen, Nachbarn, Bekannte) kennengelernt mit der Diagnose Asperger. Diese Leute erscheinen sehr krass: geringe Impulskontrolle, hohe Aggressivität, wenig soziale Interaktion.

    1. Es gibt solche und solche Autisten. Ich bspw. habe das Asperger-Syndrom und arbeite in einer Kita. Diese Arbeit zählt zu meinen Spezialinteressen. Durch jahrelanges Training und Kompensieren habe ich es geschafft, mich Anzupassen. So sehr, dass ich fast nicht mehr auffalle. Dafür aber brauche ich unheimliche Kraft und Energie. Nur weil die “Schwächen” wenig erscheinen, heißt das noch lange nicht,

  5. Hi, meine ganze Family (Mann, ich, zwei Jungs) hat Asperger, und wir haben es erst nach und nach erfahren über einen Zeitraum von 7 Jahren, einer nach dem anderen. Was haben wir gelitten in der Familiengründungsphase…! Wir haben uns alle sehr gerne, sind aber leistungsbeschränkt, und unsere Liebe spricht eine eigene Sprache (viel kognitiv). Wir sind sehr offen, sehr direkt, einzigartig!

  6. Ich habe bislang noch gar keine Schilderungen darüber gefunden, wenn Autisten eine andersartige Sexualität haben. Entweder wird so getan, als wären sie asexuell oder als wären sie eben “nur” sozial-emotional benachteiligt. Es wäre toll, wenn darüber auch mal berichtet werden würde, denn meine Erfahrung ist, dass es das häufig gibt und nur niemand darüber spricht (nicht pc?).

    1. Hallo 🙂
      Ich habe nur autistische Züge und ich habe Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen wie z.B. nicht erkennen der Gefühle des Anderen , nicht registrieren von Humor und Scherzen, alles wörtlich nehmen, manchmal in Situationen unangemessen ehrlich sein, andere ständig belehren, Dinge aus dem Zusammenhang erzählen..etc. Da die Diagnose sehr früh gestellt wurde ( ich war ein kleines Kind) konnte ich mit Hilfe meiner Familie und durch viel Förderung vieles lernen.
      Zurzeit (25 Jahre alt) habe ich seit über einem Jahr meine erste, sehr schöne und glückliche Beziehung mit meinem Freund, den ich in meinen Informatik Studium kennengelernt habe.
      Weil ich Dinge ,die eher in einer Partnerschaft vorkommen wie z.B sich küssen oder Sex, sich auf Partner einlassen, noch erst mal kennen lernen musste, war ich Anfangs sehr unbeholfen, teilweise sehr stürmisch wenn wir uns annäherten. Manchmal wenn ich versuchte Komplimente zu machen war es nicht immer passend und es gab Situationen wo ich mit unangemessen Sätzen die “Stimmung” die bei Verliebten aufkommt, kaputt machte.
      Für mich war es erleichternd zu wissen, dass auch mein Freund seine erste Erfahrungen sammelte.
      Aber er hat auch seit Anfang an sehr viel Geduld mit mir und tickt in ein paar Dingen ähnlich wie ich, auch wenn er nicht unter dieses Sprektum fällt.
      Doch trotz anfänglicher Unbeholfenheit, zu stürmischen Annäherungen meinerseits und komischer Pannen über die wir beide manchmal noch lachen, finde ich zurzeit unsere Beziehung und auch unser Liebesleben wunderschön. Es klappt irgendwie. Soweit ich weiß sind wir beide sehr glücklich damit. Wir reden beide darüber was wir mögen oder nicht. Und ich bin meistens in der Hinsicht sehr indiskret. Wenn ich unsicher bin, ob ich richtig einschätze, ob er im Moment Lust hat bzw. er es auch schön findet frage ich nach, ob es okay für ihn ist. Er sagt mir aber immer mehr was er mag.
      Ich denke, dass sich das Liebesleben zwischen jedem Paar unterscheidet. Einfach weil Menschen bzw. auch Paare und Beziehungen sehr unterschiedlich sind.

  7. dass sie auch schwach ausgeprägt sind.
    Ich mag Menschen nicht, die Autismus oder deren Begleiterscheinungen herunterspielen, bloß weil sie einen Autisten kennen. Kennen sie EINEN, kennen sie auch nur EINEN ! Und auch wenn die Schwächen nach außen hin “nicht sehr ausgeprägt zu sein scheinen”, heißt das nicht, dass die Person nicht einem unheimlichen Druck und einer unheimlichen Belastung

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