Behinderung Asperger

Ich fühle mich behindert

Dieser Blogbeitrag wird wahrscheinlich ein bisschen negativ und deprimierend. Ich versuche eigentlich so viele positive Sachen, wie möglich auf meinem Blog zu teilen, weil ich wirklich gerne anderen helfen möchte. Ich würde mir wünschen, dass ich nur darüber schreiben könnte, was einem bei Herausforderungen helfen kann und was an Asperger gut ist. Aber das Leben ist nicht immer einfach und eine Diagnose kann wirklich viele Probleme mit sich führen.

Es bringt nichts diese Seite meines Lebens zu verstecken. Deswegen entscheide ich mich meistens dafür ehrlich zu sein und auch die schwierigen Dinge mit euch zu teilen. Mir hilft es auf jeden Fall zu schreiben, wenn ich frustriert bin. Und ich hoffe einfach, dass meine Texte auch dem ein oder anderen von euch helfen können.

Behindert durch die Diagnose oder die Gesellschaft?

Ich habe schon öfters gehört, dass Behinderte darüber diskutieren, ob es überhaupt die Behinderung ist, die sie einschränkt oder ob es die Gesellschaft und andere Menschen sind, die einen an etwas hindern. Manche sehen es so: Wenn jemand im Rollstuhl nicht in ein Haus kommen kann, weil es keine Rampe gibt, hindert nicht die Gehbehinderung die Person, sondern die Menschen, die die Treppen gebaut haben. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, was ich von solchen Diskussionen halte. Ich denke aber auf jeden Fall, dass manche Autisten der Gesellschaft und anderen Menschen zu viel Schuld an ihren Problemen geben.

Ich finde schon auch, dass das Leben einfacher wäre, wenn die Welt besser an Autisten angepasst wäre. Aber ich denke, dass die meisten meiner Probleme tatsächlich vom Asperger Syndrom kommen und nicht von anderen Menschen. In den letzten Tagen habe ich mich wirklich behindert gefühlt, weil mich mein Autismus sehr einschränkt. Darüber will ich in diesem Beitrag schreiben.

Einladungen zum Essen

Ich bin mittlerweile seit ein paar Monaten mit meinem Freund zusammen und lerne langsam seine Familie kennen. Letztes Wochenende waren wir bei seinem Vater und seiner Stiefmutter eingeladen. Wir sind am frühen Nachmittag zu ihnen gekommen. Nachdem wir Kuchen gegessen haben und uns etwas unterhalten haben, ist die Stiefmutter von meinem Freund in die Küche gegangen um das Abendessen vorzubereiten.

Auf einmal habe ich gedacht: „Das werde ich nie können!“ Wir waren schon ein paar Stunden bei ihnen. Es war wirklich nett und die beiden waren sehr sympathisch, aber ich konnte trotzdem merken, wie meine Energie mehr und mehr verschwunden ist. Wenn ich mir vorstelle, mehrere Stunden Besuch zu haben und dann auch noch kochen zu müssen…das könnte ich wirklich nicht. Ich hätte nicht mal annähernd genug Energie.

Ich war auch wirklich beeindruckt von der Familie meines Freundes, weil sie nicht einfach ein Gericht gekocht haben, sondern sie haben jede Menge kleine Gerichte gemacht. Selbst wenn ich den ganzen Tag Zeit hätte um das vorzubereiten, hätte ich nicht genug Energie dafür. Ich weiß natürlich nicht, wie es mir in der Zukunft gehen wird. Aber im Moment macht es mich einfach traurig, wenn ich sehe, dass andere etwas können, was ich auch gerne können würde, es aber unmöglich für mich wirkt. Es kommt mir so vor, als würde mir meine Diagnose etwas von mir nehmen. Es ist so, als ob das Asperger Syndrom mir bestimmte Erlebnisse und Möglichkeiten klauen würde.

Plätzchen backen

Plätzchen backen klingt vermutlich nach einem komischen Thema. Immerhin ist es erst September. Aber das war auch etwas, worüber wir geredet haben, als wir bei der Familie von meinem Freund zu Besuch waren. Wir haben darüber geredet, dass es nett wäre zusammen zu backen, wenn wir zur Weihnachtszeit kommen. Ich liebe es zu backen, vor allem Plätzchen. Deswegen fand ich die Idee wirklich gut. Aber beim Backen fühle ich mich genauso wie beim Kochen vom Asperger Syndrom eingeschränkt.

Wenn ich nicht auf meine Energie aufpassen müsste, würde ich mindestens zwei verschieden Arten von Plätzchen backen und sie natürlich auch dekorieren wollen. Ich würde einen ganzen Tag backen. Das wäre so toll. Wir haben das früher auch gemacht, als ich noch jünger war. Aber in den letzten Jahren habe ich gemerkt, dass ich dafür wirklich nicht genug Energie habe. Ich kann vielleicht einen einzigen Teig machen und die Plätzchen backen. Aber wenn ich sie auch noch dekorieren soll, brauche ich auf jeden Fall eine lange Pause dazwischen. Ich hasse es, wenn es etwas gibt, das ich wirklich gerne machen würde und meine Diagnose es nicht zulässt. Es kommt mir so vor, als müsste ich mein ganzes Leben nach meiner Energie einrichten.

Meine Zukunft
Mein Freund macht zur Zeit als Teil seines Studiums ein Praktikum. Und das hat dazu geführt, dass ich mir, was Arbeit angeht, wirklich viele Gedanken über meine Zukunft mache. Ich bin mir recht sicher, dass ich nicht Vollzeit arbeiten kann. Wenn ich zum Beispiel von 9-17 Uhr oder so arbeiten würde, hätte ich abends nicht mal genug Zeit um Energie zum Abendessen zu sammeln. Ich denke auch manchmal: „Wieso sollte mich eine Firma überhaupt einstellen, wenn ich nicht Vollzeit arbeiten kann? Wenn sie zwischen jemand ganz „normalen“ und einem Autisten wählen können, wieso sollten sie dann denjenigen mit einer Diagnose einstellen?“ Solche Gedanken mache ich mir zum Glück nur, wenn ich wirklich frustriert bin. Und eigentlich kann ich auch gut damit leben, dass ich wahrscheinlich nicht Vollzeit arbeiten werde.

Aber was ist, wenn ich Kinder bekomme und dann Zuhause noch mehr Energie brauche? Kinderkriegen ist im Moment gar kein Thema für mich. Ich bin kein bisschen dafür bereit Kinder zu bekommen. Aber ich will auf jeden Fall irgendwann Kinder bekommen. Ich habe nur keine Ahnung, wie ich Arbeit und Familie unter einen Hut kriegen soll, wenn ich so wenig Energie habe. Wenn ich über solche Dinge nachdenke, würde ich mir wirklich wünschen nicht Asperger zu haben.

Viele Pausen
Ich glaube, was mich am meisten frustriert, ist, dass ich so viel Zeit damit verbringe meine Energie Batterie wieder aufzuladen. Ich habe vor kurzem einen Wochenplan gemacht, in dem alles steht, was ich während der Woche nach der Uni mache. Als ich alles aufgeschrieben habe, ist mir aufgefallen, dass ich mehr als die Hälfte meiner Zeit damit verbringe zu entspannen. Viele können zumindest etwas machen, während sie entspannen, zum Beispiel Computer spielen, häkeln oder malen. Aber mir fehlt meistens so viel Energie, dass ich entweder gar nichts machen kann außer im Bett zu liegen oder dass ich nur einen Film anschauen kann.

Ich glaube einfach wirklich nicht, dass Neurotypischen auch so viel Energie fehlt. Und das frustriert mich wirklich und ich fühle mich dadurch behindert. Meine mangelnde Energie schränkt mich so sehr ein. Der Tag hat einfach nicht genug Stunden, dass ich auch etwas machen kann, das mir Spaß macht. Mein Tag besteht eigentlich nur daraus, dass ich in die Uni gehe, entspanne, Hausaufgaben mache und mich mit meinem Freund treffe. Zur Zeit habe ich nämlich nicht einmal genug Energie um mich mit Freunden zu treffen.

Ich fühle mich behindert

Mittlerweile habe ich meine Diagnose schon mehr als ein Jahr, aber ich habe mich trotzdem nie wirklich behindert gefühlt. Ich habe schon immer gewisse Herausforderungen gehabt, aber ich habe mich nie eingeschränkt gefühlt. Es wird ja oft darüber diskutiert, ob Autismus eine Behinderung ist, aber ich sehe es auf jeden Fall als Behinderung. Es ist immerhin keine Krankheit und man kann ja auch einen Behindertenausweis beantragen, also muss es eigentlich eine Behinderung sein. Das heißt, es macht eigentlich auch Sinn, dass ich mich behindert fühle.

Aber es fühlt sich einfach nicht gut an. Es kommt mir so vor, als würde ich auf einmal alle die Dinge sehen, die ich nicht kann oder die ich anders machen muss. Und das ist wirklich frustrierend. Ich bin mir sicher, dass ich irgendwann besser darin werde meine Diagnose zu akzeptieren und das ganze positiver sehen werde, aber dafür brauche ich vermutlich auch viel Geduld.

16 Kommentare zu „Ich fühle mich behindert“

  1. (Comment 1/2)
    Harte Kost aber mindestens ebenso wichtg wie über die schönen Dingen zu schreiben.

    Zum Thema sich behindert fühlen. Ich bin der Meinung, es ist ein Fakt das wir einschränkugen haben und deswegen meinetwegen auch behindert sind. Es ist teilweise so, das wir Dinge die NTs machen können nur eingeschrankt oder gar nicht machen können. Ich habe mir diese Frage auch gestellt und mich

  2. (Comment 2/2)… damit abgefunden. Es ist so wie es ist und Punkt. Zum Thema arbeiten. Ich habe meine Diagnose mittem im Arbeitsleben bekommen und konnte dann auch gleich bei null anfangen. Womit ich super zurecht komme ist Home Office. Da kann ist es nicht ganz so strikt und man kann sich die Pausen besser einteilen. Ich kann dich aber verstehen,da ich mir am Anfang dieselben Fragen gestellt.

  3. Klingt, als seist du sehr hart mit dir. Würdest du das auch so bewerten, wenn deine beste Freundin dir das alles erzählt? Oder würdest du ihr vielleicht sagen: Wer sagt denn, dass du auch viele kleine Gerichte kochen musst? Du kannst ja auch einen feinen Eintopf vorkochen – oder ein Filet im Teig vorbereiten und einfrieren. Und die vielen Pausen als Zeit sehen, die du dir achtsamerweise gönnst?

    1. Natürlich muss man nicht alles können, was andere können. Ich finde es nur einfach schade, dass ich nicht all das kann, was ich gerne möchte und dass ich anstatt dessen Alternativen finden muss.

  4. Gib bitte nicht der Diagnose die Schuld. Die Diagnose ist das, was der Arzt sagt. Sie kann richtig oder falsch sein. Es ist dein Andersein, deine Behinderung, deine abweichende Neuro-Verfassung oder wie auch immer…
    Ansonsten kann ich als Mensch mit Depression Einiges nachfühlen. Auch mir fehlt täglich Energie.
    Mittlerweile hadere ich aber kaum noch mit meinem Schicksal.
    Gib auf dich Acht!

    1. Ja, da hast du vollkommen recht. Die Diagnose, also der Name an sich, ist ja kein Problem. Ich bin ja froh die Diagnose zu haben… Manchmal ist es nur einfacher “Diagnose” zu schreiben, weil der Satz dann einfacher verständlich ist. Aber ganz korrekt ist er natürlich nicht 😉

  5. Hej Nici, Thema “Behinderung”…man merkt an Deinem Text, dass Du ganz schön durchhängst. Ich bin selbst Asperger und meine Tochter (13) auch. Wir haben beide einen Behindertenausweis, ich nicht wegen Asperger, sondern meiner Muskelschwäche und meine Tochter wegen Asperger und ihrer Muskelschwäche. Ich sehe das Wort “Behinderung” als Wort, welches ich brauche, um meiner Tochter oder auch mir das

  6. …das Leben etwas zu erleichtern. Ich finde es immer wieder erstaunlich, dass Autisten so viel Wert darauflegen nicht als behindert zu gelten oder krank. Ich habe damit kein Problem, denn für mich ist es nur ein Wort, welches für mich nur in den Gängen zu Ämtern eine Rolle spielt, denn irgendein Wort muss es doch geben für Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen. Du bekommst …

  7. …Deine Einschränkungen vor Augen geführt. Hast Du diese fehlende Energie denn schon immer? Oder tritt das erst in letzter Zeit auf, dass Du so müde und energielos bis? Wie hast Du früher Plätzchenbacken gemeistert und wieviel Teig hast Du da geschafft? Was hat sich verändert? Was habe ich vor der Diagnose geschafft? Ich wünsche Dir von Herzen, dass Du einen Weg findest für Dich..

    1. Hi,
      Ich habe eigentlich gar nichts gegen das Wort “Behinderung”. Das komische ist nur, dass ich mich bisher nicht so eingeschränkt gefühlt habe.
      In den letzten Wochen fehlt mir auf jeden Fall sehr viel mehr Energie als sonst. Ich versuche Lösungen dafür zu finden, aber es ist kompliziert.

    2. Ich glaube, ich habe mir als Kind leichter getan mit vielen Dingen, weil im Alltag nicht so viel von einem verlangt wird. Als Erwachsener hat man einfach mehr Verantwortung und muss sich zum Beispiel auch komplett um den Haushalt kümmern.

  8. Die fehlende Energie kann auch daher kommen, dass sich das Unterbewusstsein intensiv mit einem Thema beschäftigt und dem Bewusstsein dabei die Ressourcen abgräbt. Das klingt vielleicht etwas komisch, aber ich habe das beim Schreiben erlebt. Artikel oder Bücher formuliert man ja nicht bewusst, sondern völlig unterbewusst, teilweise nachts.

  9. Plötzlich weiß man dann, was man schreiben will, und kann das in den PC eintippen. Aber bis dahin war ich meist zu nichts mehr fähig und musste auf der Straße aufpassen, dass ich nicht in ein Auto laufe, wie ein kleines Kind.

    Nici lernt vielleicht gerade unterbewusst perfekt Fremdsprachen und fühlt sich bewusst dabei eingeschränkt, nebenbei auch noch Plätzchen zu backen.

    1. Mit Dänisch läuft es ziemlich gut. Ich kann es relativ fließend sprechen. Das heißt, daran liegt es vermutlich nicht. Aber ich habe in den letzten Wochen auf jeden Fall sehr viel Energie für mein Studienprojekt verbraucht,,, Aber das ist am Freitag zum Glück sowieso zu Ende 🙂

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